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La Gomera - GR312 - Von San Sebastian nach Santiago
Nicht so früh aufgestanden und auch erst einmal außer Haus gefrühstückt. Am Dorf/Stadtplatz, an der der Uferstraße gegenüber dem Hafenbecken Sandwichs gegessen und Kaffee getrunken. Kreuzfahrtschiff liegt im Hafen, es regnet ein wenig. Eine Nonne nimmt sich ein Taxi. Die Taxifahrer auf der anderen Straßenseite schieben Ihre Taxis an den offenen Türen vorwärts wenn sich die Schlange am Taxistand bewegt obwohl hier Treibstoff nur knapp einen Euro kostet. Bin jedoch nicht sicher ob das der Preis für Benzin oder Diesel ist. Wir brechen auf, entlang der Uferpromenade, links der schwarze Sandstrand des Hafenbeckens. Dann scharf rechts über eine Mischung aus Notüberlauf und Feldweg an einer größeren Anlage vorbei die wir zum Zentralen Ölkraftwerk der Insel erklären. Das monotone stampfen das U. gestern Nacht dem Kreuzfahrtschiff im Hafen angelastet hatte kommt tatsächlich von dieser Anlage. Der Wanderweg zieht sich den Hügel hinauf der San Sebastian auf der linken Seite wie eine Sessellehne einfasst. Wetter inzwischen prima. Die spärliche Vegetation nie mehr als Kniehoch, der Boden steinig bräunlich, dahinter der blaue Atlantik. Wenn man jetzt immer in Richtung Horizont schwimmt kommt man am Südpol raus. Das fast jeder Meter mit Steinmäuerchen terrassiert ist fällt hier noch deutlicher ins Auge als gestern entlang des relativ grünen Zentralgebirges. Ab ein paar hundert Metern Entfernung wirken die dunklen Linien der Terrassen in den Bergen wie ein geologische Phänomen.
Es ist heiß, die Sonne brennt. Zum ersten verlassenen Strand müssen wir einen steilen Serpentinenweg hinab. Ein paar verfallene primitive Steinhütten lehnen sich an den Felsen. Drinnen ist nichts als Müll. Ein besser gepflegtes, aus Beton gebautes Häuschen ein paar Meter weiter ist verlassen, dafür duschen vor einer freistehenden Steinhütte ein Man und eine Frau im freien. Möglicherweise machen die hier aber nur Hausbesetzerurlaub, noch ein Stückchen weiter sehen wir aus den Augenwinkeln eine Frau durch die Türlose Öffnung einer Höhlensiedlung. Unter einem breiten Vorsprung haben Leute sich Steinhütten und Mauern gebaut. Schaut aus wie man sich die Ruinen primitiver indianischer Dörfer vorstellt. U. liest einen Tag später beim warten auf den Flieger nach Teneriffa nach dass es sich bei den Höhlen um ganzjährig bewohnte Unterkünfte handelt. Die Connoisseure alternativen wohnens bewohnen diese, angeblich so zahlreich das man zur Hochsaison kaum noch eine freie Felsspalte findet und einmal im Jahr kommt rituell die Guardia Civil vorbei und wirft alle raus. Wir sehen aber nur wenig von der Pracht, außer der einen Frau im dunklen Loch scheinen die Höhlen unbewohnt. Wir gehen nicht näher ran, man will ja nicht stören. Ein Stückchen das ebenfalls mühsam terrassierte Tal hinauf und über einen kleinen Pass wandern wir ins nächste Tal welches von dem ersten auf dem Seeweg nur ein paar hundert Meter entfernt gewesen wäre. In diesem Tal gibt es eine Plantage und zahlreiche Gebäude. Palmen und einen Schrottplatz sehen wir. Außerdem eine Ziege. Durch den trockenen Überlauf des Tales der von der Anlage durch eine Betonmauer abgegrenzt wird gelangen wir auf einen nicht asphaltierten Fahrweg und auf diesem vor bis zum laut Führer angeblich schönstem Strand La Gomeras. Der Führer ist nicht mehr der neuste aber auch früher kann es hier nicht viel besser ausgesehen haben. Der Strand besteht aus schwarzen Wackersteinen die in der hohen Brandung Geräusche wie grollender Gewitterdonner erzeugen und meinen Blick mehr als einmal besorgt gen Himmel schicken. Großzügig verteilt finden sich entlang der vielleicht vierhundert Meter langen Bucht kaputte Sonnenschirme und verstreute weiße Strandliegen. Macht einen völlig verlassenen Eindruck auf mich. Ist es aber nicht. Am westlichen Ende des Strandes gibt es ein offenes und ganz passabel besuchtes Hotel welches uns aber passend zum wenig Gastfreundlichen Eindruck nichts zu trinken verkaufen möchte. Kein Kaffee, kein Bier und wenn man wollte bekäme man auch nichts zu Essen. Einen Automaten mit Wasserflaschen hätten sie teilt die Besitzerin U. mit. Durch ein paar Fenster könnten wir den Gästen im Speisesaal zuschauen.
Vespern also am Strand, machen ein paar Fotos und begeben uns dann bei einsetzendem starken Regen auf den Weitermarsch. Durch die Plantage kommen wir an bewohnten Bungalows vorbei, die machen einen unheiligen Eindruck zumal es außer einem Boot keine Verbindung zur Außenwelt gibt. Straße ist Fehlanzeige. Nass, Kalt, Regenjacke klebt unangenehm feucht auf der Haut. Zu schnell darf man nicht gehen sonst schwitzt man in der nicht Atmungsaktiven Hülle auch noch von innen. Der Weg hat hier eine Beschaffenheit die wir bislang auf La Gomera noch nicht gesehen haben. Extrem klebriger Lehm der sich an die Stiefelsohlen anheftet und nur mit Mühe entfernen lässt.
Morales und Contreras
Die Highlights dieser Wanderung sind die verlassenen Dörfer Morales und Contreras entlang des Weges. Darüber welche Aktivitäten hier einmal entfaltet wurden und warum die Bewohner Ihre Heimat verließen findet sich widersprüchliches. Einmal soll es der Anbau von Läusen zur Farbstoffgewinnung gewesen sein der mit dem aufkommen synthetischer Farben unrentable wurde und aufgegeben werden musste, ein andermal soll es Weizen gewesen sein der angebaut wurde. Wir kommen durch zwei der verfallene Siedlungen. Die erste, Morales, ist ein richtiges Dorf mit ein paar duzent kleiner, einstöckiger Häuser, die zweite eine Ansammlung von Gebäuden um ein großes Zweistöckiges mit intaktem Dach herum das einen noch recht guten Eindruck macht.
Casas de Contreras wird ein kleiner Weiler genannt, der - auf einem der Bergrücken des Barranco de Chinguarime gelegen - heute verlassen und unbewohnt ist wie auch Seima, das andere aufgegebene Dorf in der Region. Beeindruckend wirkt in Casas de Contreras ein ungewöhnlich großes Wohnhaus im Stil eines Landguts (tipo hacendistico), wie man ihn auch in einigen Dörfern auf La Palma antrifft. Das Haus besteht aus zwei Stockwerken, die - typisch für diesen Stil - durch eine Außentreppe miteinander verbunden sind. Diese führt hoch zum Eingang des ersten Stocks, wo sich, aufgeteilt auf zwei Räume, früher das alltägliche Leben abspielte, während sich auf der unteren Etage wahrscheinlich Lagerräume und die Küche befunden haben. Allendes Geisterhaus ich mir so vor.
Wir wissen wenig bis nichts über die Geschichte des heute weitgehend verfallenen Weilers Casas de Conteras. Über den Familiennamen Contreras ist allerdings bekannt, dass es ihn bereits im 16. Jahrhundert auf der Insel gab. Ein gewisser Melchor de Contreras fungierte 1535 als Notar (escribando público) und Vollstrecker (testamentario) von Doña Inés Peraza. Aber ist es dieselbe Familie? Wir wissen es nicht. Die geritzten, aus dünnen kreideweißen Linien geformten Zeichnungen an den Wänden sind ein Detail der Anlage der im Gedächtnis bleibt und den Ton liefert in dem wir uns nun später an die verfallenden Gebäude erinnern. Es gibt in dem großen Wohnhaus einiges an Überresten aus dem 18. Jahrhundert zu entdecken. Wenn wir vorsichtig das Innere betreten - die verfallenen Holzböden können nachgeben und haben viele Lücken - entdecken wir etwas Einzigartiges , was es sonst nirgends auf der Insel gibt: Eine schwach sichtbare, Johannes dem Täufer gewidmete Inschrift mit einem Kreuz, der man entnehmen kann, wann ungefähr das Wohnhaus errichtet wurde. Heute ist das verfallene Dorf ein stummer Zeuge aus vergangenen Zeiten, in denen der Getreideanbau für Wohlstand sorgte. Die Umgebung des Weilers war anscheinend das Hauptanbaugebiet der Gegend, wo der Getreideanbau noch diverse Epochen überlebte.
Quelle: http://gomeraverde.es Deutsche Übersetzung: http://egomera.de
Weiter unten haben wir später noch eine art Reihenhaus mit mehreren nebeneinanderligenden Wohnzellen gesehen. Bisher habe ich mich gewundert warum die Dächer in einem so viel schlechterem Zustand sind als der Rest der Gemäuer. Bei näherer Betrachtung dieser halb verfallenen Wohnanlage wird es klar. Der Balken der den First stürzt ist nicht behauen sondern lediglich ein ausreichend gerader Stamm eines Baumes gestützt von ebensolchen. Die Querstreben auf denen die Ziegel liegen sind mitnichten aus Holz sondern entzweigte Palmenenwedel. Diese Palmenwedel halte ich für die Achillesfersern der Konstruktionsweise.Wasser gibt es hier übrigens gar nicht. Die Pflanzen müssen mit dem zurechtkommen was sich ein paarmal täglich aus den Wolken über sie ergießt. Um zu den abgelegenen Casas de Contreras zu gelangen, muss man heute lange auf alten Pfaden wandern. Zu der Zeit aber, als hier Getreide angebaut wurde - wir sprechen vom Ende des 18. und dem 19. Jahrhundert - war dieser Landgutshof sicherlich ein wichtige Institution in der vom Getreideanbau lebenden Region. Vielleicht war er im Besitz eines Großgrundbesitzers, der nach Amerika ausgewandert ist. Wir wissen es nicht. Jedenfalls hat das Haus die Zeiten überdauert als Zeuge für eine Zeit, in der die Ländereien dieser Inselregion in Blüte standen.
Playa Santiago
Nachdem wir die letzten Häuser der ehemaligen Pflanzung hinter uns gelassen haben beginnt die Wanderung zäh zu werden. Die Sonne brennt schon länger aus wolkenlosem Himmel, an Stellen an denen die Luft steht ist es richtig heiß. Leider kennt der Weg jedoch keine Gnade, obwohl es im Prinzip nur bergab geht und wir unser Ziel, Santiago, schon seit beginn des Abstieges sehen können, verkürzen wir die Distanz zu den weißen Häusern im Tal nur äußerst langsam. Es geht immer in Schlangenlinien auf und ab, nie gerade auf das Ziel zu. Die weißen Häuser stellen sich dann auch noch als eine Ferienanlage heraus, Santiago selbst liegt nochmal einen Kilometer weiter im nächsten Tal. Das Restaurant auf dem Hügel hat leider geschlossen also kriechen wir den Hang auf einer für die geschundenen Füße so unangenehmen schiefen Betonebene hinunter, an ein paar bewässerten Feldern und den dazugehörigen in den Boden eingelassenen, offenen Wasserspeichern vorbei in die Häuserzeile entlang der Küste die Santiago bildet.
Schuhe aus. Sandwich, leider riecht das Bier so intensiv nach erbrochenem dass ich nicht viel davon runter bekomme, dafür ist aber das Sandwich lecker. Ein richtiges Bier trinken wir ein paar Meter weiter in einer Kneipe zu deren Kundschaft wohl eher einheimische gehören. Insgesamt vertreiben wir uns drei Stunden mit an der Mole entlang spazieren und Bars durchprobieren. Auf der Kaimauer mit begeländertem Holzsteg powerwalked ein älterer Herr unermüdlich hin und her. In der letzten, ziemlich alternativen Strandbar, sehen wir noch die Einfahrt eines Hippiebusses, laute Musik spielend, eine Frau mit einem Handy aus dem Beifahrerfenster filmend kommt das Gefährt am Ufer neben uns zu stehen. Die Erwachsenen und Kinder die den Volkswagen verlassen sind ein bunter Haufen. Zur Bushaltestelle gehen wir dann wieder bergauf, zurück woher wir gekommen sind. Wäre aber nicht notwendig gewesen laut einem deutschen Fahrgast der es geschafft hat sich unten in Santiago auflesen zu lassen. Über die Bar in den Bergen, hat wie immer offen, fährt der Bus uns zurück nach San Sebastian. Nach dem entfernen der Compete Blasenpflaster habe ich zwei offene Füße. Soll man auch nicht machen solange die Pflaster sich nicht von selbst lösen aber das geht natürlich nicht wenn sich unter den Pflastern Wasserblasen bilden die noch empfindlicher auf die offenen stellen drücken. U. will im Angesicht des Elends Umbuchen, ist aber nicht nötig, wir haben ja Bananenschnaps und Quäldich dabei. Abendessen diesmal in einem angeblich besonders guten Restaurant das hinter einen kleinen Tunnel am Hafen liegt. Die Rückwand hinter der Bar ist aus unbehauenem Stein, außer unserem sind nur drei weitere Tische besetzt. Wir bestellen und zwingen mit Mühe die Fischplatte. Nicht schlecht aber auch nichts besonderes, kein Vergleich mit dem Fischrestaurant in Funchal zumindest. Liegt wahrscheinlich daran das es auf La Gomera keine Eigenständige Fischer mehr gibt und Fische daher möglicherweise mit dem Frachter kommen. Viel ist es aber.
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