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Wandern auf den Kanaren
La Gomera - GR131
Unsere Wanderung soll heute der gesamte GR131 von San Sebastian nach Vallehermoso sein. Es gibt unterwegs viele Einkehrmöglichkeiten und sogar Hotels und Pensionen, außerdem quert man breite Straßen und könnte sich notfalls mit dem Taxi abholen lassen, die Busverbindungen sind laut Führer zu infrequent um eine verlässliche Option zu sein. Alles was auf der Insel an nennenswerter Infrastruktur vorhanden ist durch EU-Mittel und Kredite nach dem Eurobeitritt Spaniens entstanden. 1970 gab es noch keine Straßen, man konnte nur über den Seeweg von Ort zu Ort.
Wie geplant sind wir früh aufgestanden. Der Himmel ist bedeckt es nieselt leicht. Noch ist es draußen Dunkel. Ich habe meinen gelb schwarzen Rucksack nur mit dem nötigsten für eine Tageswanderung gefüllt. Ist natürlich immer noch schwerer als ein reiner Tagesrucksack. U. hat meinen Zugspitze Laufrucksack, trägt ihn meist nur auf einer Schulter da er auch von diesem sehr leichten Rucksack Rückenschmerzen bekommt. Als wir das Hotel verlassen nieselt es leicht. Dafür dass es so früh und Samstag ist sind bereits erstaunlich viele Menschen unterwegs. Wir folgen dem GPS aus der Stadt hinaus zunächst durch ein Wohngebiet und dann über kahle Hänge die Berge hinter San Sebastian hinauf. Das Licht leuchtet und die Luft riecht kanarisch, die Vegetation ist maximal Hüfthoch. Die größeren Gewächse könnten kleine Drachenbäume sein, sind es aber sicher nicht. Nach zwanzig Minuten beginnt die Sonne hinter Teneriffa aufzugehen um nach nach nur ein paar Minuten wieder in der tief liegenden Wolkendecke zu verschwinden. Es regnet nicht mehr und die Temperaturen sind angenehm.
Nach einer knappen Stunde kann ich meine Versen bereits nicht mehr ignorieren. Da tut sich was und leider an beiden Füßen. Eigentlich hatte ich ja mit meinen "neuen" Wanderschuhe keine Probleme mit Blasen mehr aber das fühlt sich heute nicht nach keinen Problemen an. Hingesetzt, Schuhe ausgezogen und sieh da, zwei beginnende Blasen rechts und links. Mit U.s Messer und Klebebandtechnik versuche Ich der Verschlimmerung des Zustands Einhalt zu gebieten und wir wandern weiter. Es stinkt überall furchtbar nach Ziegenscheiße. Kurze Zeit später präsentiert sich des Rätsels Lösung. Ich hatte mich zum verarzten der Blasen in Ziegenscheiße gesetzt und die klebt jetzt an Hemd und Hose.
Noch sind wir unterhalb der dichten grauen Wolkendecke und können die Landschaft genießen. Nirgendwo hoher Bewuchs, vereinzelt mal eine Palme. Die Blüten der Agaven sind auf den Bergrücken gegen den Horizont zu sehen. Kreuz und Quer, geben der Landschaft einen ungeordneten Eindruck, wie ein Wald nach einem schweren Sturm. Alles terrassiert aber lange schon aufgegeben. Der Wanderweg führt entlang der alten Straße, manchmal sogar auf derselben. Eine Umspannstation wird von zwei Hunden hinter einem hohen Zaun bewacht. Der jüngere Schäferhund noch voller Enthusiasmus bei der Sache, der ältere bellt nur noch pro forma und macht ein paar arthritische Schritte in unsere ungefähre Richtung. Der hat vermutlich die Hoffnung aufgegeben das mal einer der Wanderer einbricht die hier sporadisch vorbeikommen. Totes Huhn liegt auf dem Weg. Auf dem Kamm mündet der Wanderweg in die neue Hauptstraße und die führt nach ein paar hundert Metern zu unserem ersten Einkehrschwung, das Bar-Restaurant Peraza . Ziegenscheiße von den Armen waschen. Ein Bier, zwei Espresso, zwei Sandwichs. Die Allgegenwärtigkeit von genießbaren, frischen Sandwichs und kleinen Bars ist großartig. Obwohl weit und breit kein Haus ist ist die Frau hinter der Bar auch nicht allein sondern bedient bereits eine Handvoll Leute. Zigaretten sind noch genauso praktisch umsonst wie bei unserem ersten Besucht auf den Kanaren. Krüger Qualitätsrauchwaren kosten 1.60 Euro pro Schachtel am Automaten. Die Marken "Tailwind" und "Herencia" sind sogar noch günstiger.
Kurz nachdem wir unsere Wanderung fortsetzen wird es richtig kalt und zugig. Mit Windjacke ist es aber erträglich. Der Weg führt nun in einen Wald aus vermosten krummen und kleingewachsenen Bäumen. Eine Kirche mit Grillplätzen dahinter. Der GR131 ist gut beschildert. Neben den Markierungen und Markierungspfählen gibt es an Parkplätzen und in den Dörfern mehrsprachige Informationstafeln mit allem wissenswerten zu Land und Leuten, Dorf- und Naturgeschichte. Nach dem berühmten freistehenden Roque de Agando sind wir endgültig innerhalb der Wolken. Aussicht jetzt praktisch Null. Dauernieselregen. Der Atem kondensiert in der kalten Luft. Wir joggen ein Stück da sich U. um die Einhaltung des Zeitplans sorgt. den höchsten Berg Gomeras, den 1487m hohen Garajonay , lassen wir wegen schlechter Sicht aus. Mit einem Wanderrucksack dieser Größe joggt es sich nicht so glänzend. Die Metallspangen die eigentlich den Rucksack vom Rücken des Trägers fernhalten sollen biegen sich in die falsche Richtung wenn man den Rucksack falsch packt und verursachen üble Rücken und Nackenschmerzen. Mit dem Knie wieder in die korrekte Richtung zurückbiegen und alles ist gut.
Igualero - Pavon - Chipude
An Igualero mit seiner Kirche und dem Aussichtspunkt an dem wir Sonnenöl auftragen, wir sind ja jetzt im sonnigen Süden der Insel, vorbei joggen wir mit kleinen Unterbrechungen bis Pavon und Chipude , einem kleinen Dorf unterhalb des heiligen Tafelbergs der Ureinwohner. Unterwegs sehen wir einen kleinen Bach, den einzigen an den ich mich erinnern kann auf La Gomera gesehen zu haben und eine Gruppe Engländer mit denen U. kurz anbandelt während er seine Kamera die beim laufen aus der gewohnt Bombensicherer Befestigung gefallen ist wieder aufsammelt. In der Bar zum LKW-Fahrer genehmigen wir uns ein Bier und wieder ein Sandwich. Die Sonne brennt inzwischen vom blauen Himmel. Wir sitzen vor der Bar auf weißen Plastikstühlen die der Wirt auf seinem gekachelten Gehweg aufgestellt hat. Zum ersten mal ist es richtig südlich. Auf einer Tafel wird in Kreide und schlechtem Spanisch mit dem "Classico" geworben. (Fußballspiel zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona) Das gibt es hier heute Abend wohl im Fernsehen zu sehen. Die Engländer schließen zu uns auf. Etwa zwanzig Stück sind es, alle geschätzt zwischen fünfzig und siebzig. Kommen wohl aus Südlondon und wandern ein paar Stunden in organisierter Form, im nächsten Dorf werden sie von einem Bus abgeholt werden. Gestärkt wackeln wir ein paar Kilometer entlang der kleinen ineinander übergehenden Dörfer stets links mit Blick auf das Meer entlang der Südküste. Zweiter Espresso, zweites Bier auf einer Bank vor einer Bar in El Cercado . Wir fragen ein paar Deutsche mit Gomera Erfahrung nach dem Inselklima. Ist angeblich in der Mitte und im Norden, Osten und Westen der Insel immer bewölkt und regnerisch.
Nach Las Hayas erreichen wir dann den richtigen Lorbeerurwald . U. will Lorbeerblätter zum kochen mitnehmen hat diese aber schon vor ein paar Stunden gesammelt sonst wäre jetzt der Zeitpunkt gewesen. Der laut Führer einzigartige Präeiszeit Regenwald ist für den Laien (uns) wenig Beeindruckend. Nach dem überqueren der auf dem Grat verlaufenden Straße wird aus dem breiten Fahrweg ein schmaler Steig. Die letzten Kilometer fünf hinunter nach Vallehermoso joggen wir wieder gemütlich um eine Ablenkung von den Fußschmerzen zu haben. So schlimm ist es aber eigentlich nicht. Je tiefer wir kommen umso besser wird das Wetter und umso wärmer wird es auch. Ein paar Hunde bellen am Gegenhang, bewachen einen kleinen Acker mit einem Einraumbetonquader und zugehörigem Sperrmüll. Artgerechte Haltung ist das gewiss nicht. Am Ende der Serpentinen beginnt Vallehermoso und zieht sich entlang einer guten Straße noch ein, zwei Kilometer in sanften Kurven das Tal hinunter bis zum Ortszentrum.
Wir sind knapp anderthalb Stunden von Abfahrt des letzten und einzigen infrage kommenden Busses am Ziel. Kehren ein, lüften die Füße und trinken Fanta, Cola und Bier. Auf dem Dorfplatz beginnt sich am frühen Abend das Dorf zu sammeln. Ob der Bus wirklich kommt? Ob der Fahrplan aus dem Internet noch gilt? Wir wissen es nicht, U. ist in Charge of Bussing und nervös. Am aus Beton gegossenen Bushaltehäuschen hängt kein unverbindlicher Fahrplan. Können immer ein Taxi nehmen falls uns der öffentliche Nahverkehr im Stich lässt. Bus kommt aber doch. Sagen wo wir hin möchten, Kleingeldakrobatik, hinsetzen und die anderen Fahrgäste so wenig wie möglich anmüffeln. Irgendwer müffelt hier. Ich bin's hoffe ich nicht.
Die Straße entlang der Nordküste La Gomeras ist ziemlich neu, kurvenreich und neben ihr geht es zur linken Seite steil bergab. Busfahrer ist hier ein anstrengender Job, Rechts, Links, Gas, Bremse, Schalten, Schalten, Schalten. Nostromo bringt uns ohne erwähnenswerte Zwischenfälle zurück nach San Sebastian. Das Hotel ist glücklicherweise nur ein paar hundert Meter von der gut ausgebauten Haltestelle weg. Nach dem duschen gehen wir in einem Restaurant am Hauptplatz eine Pizza essen. Die Paella die zu probieren wir eigentlich hierher gekommen sind gibt es leider nicht mehr, dafür ist das Bier so kalt das die Luftfeuchtigkeit an den Krügen zu Eis kondensiert. Durch die Fensterfront können wir das Publikum des zentralen Betonpavillions beim gucken des Classico betrachten. Es geht erstaunlich ruhig zu. Wahrscheinlich zeigen sich die Menschen die nicht von La Gomera aufs Festland oder zumindest nach Teneriffa gewechselt sind grundsätzlich durch eine eher ruhige Gemütsverfassung aus. Später versuchen ein paar Katzen etwas von den Gästen in der nähe des Ausgangs zu ergattern werden aber von der Bedienung verjagt.
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