Schlafwagen mit zwei weiteren Personen. Fahrt war theoretisch sehr ruhig und erholsam, sieht man davon ab dass der Zug eine Stunde lang an der Grenze von lärmenden Beamten in Beschlag genommen wurde. Sonst schläft man ganz ausgezeichnet. Es ist ein deutscher Wagen der von Ungarn gebraucht gekauft wurde.
Wir sind zu zweit im Schlafwagen und mein Gegenüber erzählt mir auf Englisch von Gott und der Welt. Mit Zigeunern scheint es ein Problem zu geben. Sie klauen und lassen ihren Dreck fallen wo sie stehen, sagt er. Damit bestätigt er was mir der Österreicher gestern an Verhaltensmaßregeln mit auf den Weg gab. Eben sind wir an der, nach Aussage meines (jetzt Yoga treibenden) Begleiters, Welt drittgrößter Raffinerie vorbeigekommen. Jede Menge Türme, Stahlrohrverhaue, Ölwaggons. Davor standen ein paar Autos östlicher Bauart in der Sonne. Heute morgen sind wir durch das ländliche Rumänien gefahren. Ich habe so etwas noch nicht gesehen und in Europa auch nicht für möglich gehalten, hier sieht es aus wie in den Filmen von Emir Kusturnica, nur dass diese Leute hier auf die Zigeuner noch herabsehen. Halb-zerstörte winzige Häuser aus Backstein, teilweise verfallen, schadhafte Lattenzäune an manchen, auf dem Hof alles was der Häusler in den letzten 30 Jahren gefunden hat, vom Ofen bis zu Bauholz und kaputten Autos. Es wirkt sehr deprimierend. Die Landschaft ist komplett gelb, das Gras nicht länger als ein paar Zentimeter, vereinzelt kleine Bäume ohne Blätter. Größere Dörfer haben eine schneeweiße Kirche die sich aus dem Dreck heraushebt. Außerhalb der Dörfer sind kahle Äcker und ab und an mal ein Bauer der neben seinem Pferdewagen steht. Autos auf der Straße habe ich die ersten 100km nicht gesehen. Das ist allerdings sehr subjektiv da der Zug sehr langsam fährt. Mein Genosse ist aus seiner katatonischen Yogastarre aufgewacht und verbreitet sich jetzt über sein früheres Leben. Da war er Spanier, sagt er, weil er heute alles Spanische mag, denkt er. Außerdem ist er Vertreter und fährt nach Bucarest um Duftkerzen zu verkaufen. Nach den Bergen die teilweise mehr an Hochgebirge erinnerten (Pass 1560müdm) fahren wir jetzt durch trostlose Ebenen, Agrarsteppen.
Bucarest besichtigt. Zigeuner habe ich nicht so viele gesehen, dafür aber jede Menge aufdringliche Taxifahrer und ein Mann hat mir sogar einen relativ nutzlosen Bucarest Minibildband geschenkt. Geschenkt für sechs Euro. Der Volkspalast und Umgebung sind unfassbar unmenschlich dimensioniert. Das Gesamtkunstwerk das dem offensichtlich größenwahnsinnigen Chauzesku vorschwebte dehnt sich von diesem Palast aus rechts und links einer 2km langen Achse aus. Eines muss man ihm aber lassen, die Mietkasernen die er dort errichten ließ, lassen in Punkto Repräsentativität (von außen) alles Andere, auch im Westen, weit hinter sich. Sonst ist Bucarest eine hohe, ungemein chaotische Stadt. Die Autofahrer fahren wie Lebensmüde, so auch mein Taxifahrer. Mein Hotelzimmer ohne Toilette und Dusche befindet sich am unteren Ende der Preisskala. Weiter hinten im Flur befindet sich allerdings eine marode Badewanne, die mir der Besitzer auf meine Frage nach Sanitären Einrichtungen stolz zeigt. Es war das vom Bahnhof am schnellsten zu erreichende Hotel. Und Schnelligkeit ist unabdingbar wenn man nach Verlassen des Bahnhofs nicht von Taxifahrern gewaltsam in ein Vehikel gestopft und zur Herberge eines Verwandten gefahren werden will. Bucarest bei Nacht heult, kläfft und bellt und ist außerdem unangenehm heiß. Außerdem kostet Wodka nur noch drei Euro die Zweiliterflasche.
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